Ein Haus für einen Euro: Mit diesem Angebot kämpfen immer mehr italienische Dörfer gegen die Landflucht. In einem Dorf in der Toskana hat sich das Modell als erfolgreich erwiesen. Von Verena Schälter.
Wie wäre es wenn wir alle zusammen 1-Euro-Häuser in der Toskana kaufen? Wäre sicher günstiger als eine Wohnung in Berlin oder München!
Als ein geborenes Landei finde ich die Idee auf den ersten Blick sehr gut. Auf der anderen Seite frage ich mich immer wieder, wenn ich durch das Hinterland fahre: Muss wirklich jedes kleine Kaff erhalten werden?
Natürlich erwarte ich nicht, dass jeder in eine Großstadt zieht (will ich auch nicht). Aber wenn sich nicht mal mehr ein lokaler Bäcker halten kann, dann muss man sich meiner Meinung nach schon fragen, ob der Standort noch zu halten ist. Es hängt ja auch einiges an Kosten für die Allgemeinheit daran: Kanalisation, Stromversorgung, Müllentsorgung, etc. muss alles auch in den letzten Winkel gebracht werden.
Was soll denn mit den Leuten passieren, die in diesen Dörfern arbeiten?
Klar es sind meistens „nur“ Bauern. Aber die kannst Du ja nicht in die nächstgelegene Stadt umsiedeln. Also mit dem Hof und allem.
Bei uns hier im 800 Einwohnerdorf (ohne Bäcker) gibt es ca. 7 Bauerngehöfte und ein Reiterhof. Fünf der Bauern (und ihre Familien) bauen Getreide, Raps, Zuckerrüben, etc an; einer züchtet Rinder.
Die Abnehmer sitzen alle hier direkt in der Region (Mühlen, Zuckerfabrik, Metzgerei, Wochenmärkte).
Diese 7 Familien wollen nach Feierabend nicht in einem toten Dorf wohnen. Sie sind auch Mitglied im Schützenferein, Fußballverein, Radsportverrein, etc. das würde alles weg fallen, wenn nur noch die Menschen im Dorf wohnen, die da auch direkt arbeiten.
Worauf ich hinaus will:
Das kannste halt nicht bringen, einfach Dörfer „zu zu machen“, außer Du nimmst in Kauf, dass auch die landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht mehr aus deiner Region kommen. Und gerade Regionalität wird ja immer häufiger als Lösung anderer Probleme angepriesen.
Edit:
Und noch so eine kleine Randnotiz:
Fahre mal von z.B. Braunschweig auf der A2 Richtung Berlin. Zwischen Braunschweig und Magdeburg gibt es keine weitere Berufsfeuerwehr. Knapp 100 km Autobahn. Jedes Mal, wenn es auf der A2 dort kracht, sind es die freiwilligen Feuerwehren der umliegenden Dörfer, die bei Unfällen auf den Autobahnen Leben retten oder die Autos zusammen fegen…
Was soll denn mit den Leuten passieren, die in diesen Dörfern arbeiten? Klar es sind meistens „nur“ Bauern.
In den wenigsten Fällen sind es Landwirte. Die absolute Mehrheit der Leute arbeitet in der Industrie oder dem Dienstleistungssektor. Die Anzahl der Landwirte ist auch stark rückläufig und das, was man eigentlich als Bauern bezeichnet, nämlich Menschen, die von ihren eigenen Erzeugnissen sich und andere über das Jahr hinweg ernähren, gibt es effektiv nicht mehr. Landwirte bauen in der Regel einige wenige Pflanzen an oder betreiben eben Viehzucht. Das reicht bei weitem nicht, um eine Bevölkerung lokal zu ernähren. Es ist ein gewaltiger Irrtum zu glauben, dass nur, weil
Die Abnehmer sitzen alle hier direkt in der Region (Mühlen, Zuckerfabrik, Metzgerei, Wochenmärkte).
ein signifikanter Anteil der lokal konsumierten Erzeugnisse lokal produziert wird. So funktioniert unsere Landwirtschaft heute nicht mehr.
Und gerade Regionalität wird ja immer häufiger als Lösung anderer Probleme angepriesen.
Dann müsste die Landwirtschaft auch regional ausgelegt sein und nicht nur Quadratkilometer an Raps angebaut werden, der dann komplett zu Öl gepresst wird. Das wiederum würde bedeutet, dass Masseneffekte wegfallen, die Produktion teurer wird, etc. etc.. Könnte man machen, wird aber mit den "Bauern"verbänden, die effektiv von der Nahrungsmittelindustrie geführt werden, nie passieren.
Jedes Mal, wenn es auf der A2 dort kracht, sind es die freiwilligen Feuerwehren der umliegenden Dörfer, die bei Unfällen auf den Autobahnen Leben retten oder die Autos zusammen fegen…
Du tust gerade so, als ob ich jede Stadt unter 50 000 Einwohnern dicht machen und die Leute in die nächste Landeshauptstadt verlagern will. Das ist weder mein Plan, noch würde ich das selbst wollen. Bei einem Dorf von 300 Einwohnern mitten in der Pampa, wie im verlinkten Artikel, denke ich jedoch, dass die Frage, ob ein Umsiedeln sinnvoll ist, durchaus gestellt werden kann.
„Rohdiamant such handwerklich begabte Familie mit Lust aufs Landleben.“ Baujahr 1916, Ölheizung Bj 2023, Dämmung mit einer Energieeffizienzklasse mit der selben Bezeichnung wie die Körbchengröße von <hier Name von silikonierter Pornodarstellerin einfügen>. Nur 750k!
So sehen bei uns die Inserate bei der Bank aus. Bei vielen denkt man sich dass man die nicht mal geschenkt nehmen würde, weil selbst der Abriss noch zu teuer wäre. Und wenn die Makler mit so Scheißformulierungen um die Ecke kommen, könnte ich eh kotzen.
An solchen Dingen sind immer irgendwelche Harken dran. Zum Beispiel hat das Haus dann keinen Anschluss ans Stromnetz oder fließend Wasser und muss natürlich für mehrere Hunderttausend oder zumindest mehrere Zehntausend Euro renoviert werden oder es droht Strafe. Mal abgesehen davon, dass man dann in einem toten Ort lebt und zum Einkauf wohl erstmal 30km woanders hin fahren muss.
Gegenvorschlag: Guenstig dichten Wohnraum (mit Mischnutzung, Infrastruktur etc) in Staedten bereitstellen und von mir aus ne dedizierte Schiene plus kleinen Zug zu jedem Acker hinpacken damit das Pendeln schnell und angenehm ist. Nicht notwendiges Landleben kostet Ressourcen die uns knapp werden und am Ende kriegt man trotzdem nur das raus was in Sachsen-Anhalt, Thueringen, und Bayern minus Muenchen abgeht.