Bislang gibt es keine einheitlichen Regeln für den Einsatz von V-Leuten durch die Polizei - anders als beim Verfassungsschutz. Das Bundesjustizministerium bringt nun einen Gesetzentwurf im Kabinett ein. Doch die Pläne sind umstritten.
Bislang gibt es keine einheitlichen Regeln für den Einsatz von V-Leuten durch die Polizei - anders als beim Verfassungsschutz. Das Bundesjustizministerium bringt nun einen Gesetzentwurf im Kabinett ein. Doch die Pläne sind umstritten.
Sie sind die wohl heikelsten Ermittlungswerkzeuge der Sicherheitsbehörden: die Vertrauenspersonen, auch V-Personen genannt.
Damit gemeint sind keine verdeckten Ermittler, keine eingeschleusten Beamten, sondern Kriminelle oder Extremisten, die von Polizei und Verfassungsschutz angeworben und oftmals bezahlt werden, um den Behörden Insider-Informationen zu liefern und so Straftaten aufzuklären oder zu verhindern.
Beim Verfassungsschutz ist der umstrittene Einsatz von V-Leuten gesetzlich klar geregelt - nicht so bei der deutschen Polizei. Die Bundesregierung möchte dies nun ändern.
Oder besser gesagt: Ein Teil der Ampelkoalition, allen voran das FDP-geführte Bundesjustizministerium, plant, den polizeilichen Spitzeleinsatz mit klaren gesetzlichen Vorgaben strenger zu regeln. So war es auch im Koalitionsvertrag angekündigt worden.
Heute wird Bundesjustizminister Marco Buschmann das "Gesetz zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation" zur Abstimmung in das Kabinett einbringen.
Zuvor hatte es ordentlich Streit hinter den Kulissen gegeben. Das SPD-geführte Innenministerium beispielsweise fürchtet, dass durch strenge Regeln ein Einsatz von V-Leuten künftig erschwert oder gar unmöglich gemacht werde.
Im aktuellen Gesetzesentwurf heißt es zum Beispiel, dass V-Personen nicht ihren Lebensunterhalt von den Geldzahlungen der Behörden bestreiten können sollen, und dass keine Minderjährigen angeworben werden dürfen.
Außerdem soll der Quelleneinsatz in einem Strafverfahren vorab von einem Gericht überprüft und angeordnet werden müssen.
Falls eine V-Person länger als fünf Jahre eingesetzt werde oder erhebliche Vorstrafen aufweise, müsse ein Einsatz gesondert begründet werden. Wenn ein Spitzel nachweislich lüge oder selbst Straftaten begehe, solle die Zusammenarbeit umgehend beendet werden.
Polizeivertreter äußerten bereits die Sorge, dass mit einem zu strengen Gesetz ein Quellen-Einsatz kaum noch möglich sei. Vor allem die Tatsache, dass künftig Richter vorab über einen Spitzeleinsatz entscheiden sollen und dass Details umfassend dokumentiert werden müssten und später vor Gericht thematisiert werden könnten, wird kritisiert.
"Das wird dazu führen, dass sich keine Person mehr für diese Tätigkeit anbietet und wir dieses Einsatzinstrument nicht mehr nutzen können", sagt etwa Oliver Huth, der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK).
Es bestehe eine große Gefahr, dass V-Leute durch die geplanten Berichts- und Dokumentationspflichten enttarnt werden können.
Wie kann das denn sein? Ich dachte es gibt keine Naziprobleme in der Polizei.
Nikolaos Gazeas sieht das anders. Der Strafverteidiger lehrt an der Universität Köln das Recht der Nachrichtendienste. Er hält eine gesetzliche Regelung für längst überfällig. "Der Einsatz von V-Personen kann zu den eingriffsintensivsten Mitteln des Staates zählen, eine gesetzliche Regelung ist daher schon verfassungsrechtlich zwingend", so Gazeas gegenüber WDR und NDR.
Die Sorge, dass durch einen Richtervorbehalt oder Dokumentationspflichten das Ermittlungsinstrument gefährdet sei, kann Gazeas nicht nachvollziehen. "Der Ermittlungsrichter erfährt die Identität der V-Person nicht, wenn er über die Zulässigkeit ihres Einsatzes entscheidet. Das ist eindeutig so im Gesetz geregelt", meint der Strafverteidiger. "Woraus sich hier ein Enttarnungsrisiko ergeben soll, wird nicht aufgezeigt."
Anders als bei der Polizei ist der Einsatz von V-Leuten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits seit Jahren gesetzlich und in Dienstvorschriften geregelt.
In den vertraulichen Dokumenten, die WDR und NDR einsehen konnten, steht unter anderem, dass es eine Art Probezeit für angehende V-Personen gibt, um sie auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen.
Quellen werden zudem formal schriftlich verpflichtet. Die Informanten des Verfassungsschutzes dürfen außerdem keine Vorstrafen in sogenannten Kapitalverbrechen (zum Beispiel schwere Körperverletzungsdelikte oder Sexualstraftaten) haben und müssen psychisch stabil sein.
Die V-Person soll zudem regelmäßig überprüft und mit Hilfe eines speziellen Bewertungssystems beurteilt werden. Auch die Geldzahlungen sind klar geregelt: Diese dürfen nicht als Lebensgrundlage dienen. Die Höhe der Bezahlung orientiert sich hierbei an der Menge und der Qualität der Informationen sowie an der Gefährdung der V-Person.
Der VP-Führer - also der Ansprechpartner des jeweiligen Informanten - soll laut den Richtlinien auch in Erfahrung bringen, ob mit den Geldern des Verfassungsschutzes zum Beispiel terroristische Aktivitäten finanziert werden. Privater Umgang zwischen V-Leuten und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes ist untersagt.
Der polizeiliche Einsatz von menschlichen Quellen hingegen ist bundesweit noch nicht einheitlich geregelt: Die Polizeibehörden setzen angeworbene Spitzel meist gemäß internen Dienstvorschriften ein. Und die können von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausfallen.
Teilweise wird die Quellenführung bei der Polizei bislang erstaunlich unbürokratisch und locker gehandhabt.
Überraschend.
In der Vergangenheit warfen die Einsätze von V-Leuten daher auch immer wieder Fragen auf - etwa, ob Spitzel durch die Geldzahlungen womöglich zu offensiven Tatprovokationen verleitet werden.
Das baden-württembergische Landeskriminalamt (LKA) etwa setzte in rund 30 Fällen einen arbeitslosen Mann als Quelle ein, samt falscher Identität und falschen Papieren.
Vor Gericht erzählte der Spitzel später, dass er neben seinen Tageshonoraren von rund 100 Euro auch eine Erfolgsprämie bekomme, wenn eine Zielperson am Ende verurteilt werde.
Ein anderer V-Mann-Einsatz wiederum endete tödlich: Ein Informant der Frankfurter Polizei, der im Drogenmilieu eingesetzt war, wurde im Sommer 2022 im südspanischen Marbella zunächst gefoltert und dann ermordet. Offenbar, weil seine Spitzeltätigkeit aufgeflogen war.
Die genauen Hintergründe der Ermordung dieses V-Mannes sind bis heute nicht aufgeklärt. Bis vor Kurzem noch hatte die Staatsanwaltschaft Hanau in diesem Fall ermittelt und auch die für den Spitzel zuständigen Polizeibeamten aus Frankfurt vernommen.
Die Beamten hatten teilweise die Aussage verweigert.
Nach Recherchen von WDR und NDR hatten die Ermittler den Mann jahrelang auf mehrere Rauschgift-Netzwerke angesetzt. Die Beamten stehen im Verdacht, den V-Mann dabei vor Strafverfolgung geschützt zu haben.
Während er für die Frankfurter Polizei spitzelte, beging der V-Mann mutmaßlich selbst Straftaten und organisierte im großen Stil Drogentransporte von Spanien nach Deutschland.
Nach dem neuen Gesetzesentwurf würde ein solcher V-Mann-Einsatz künftig wohl kaum noch möglich sein.