"Euer Pessimismus kotzt mich an" 42 jähriger Boomer beschwert sich über den mangelnden Optimismus und die fehlenden Utopien der Jugend von heute. - Text hinter Paywall in den Kommentaren.
No Future 2.0? Viele junge Menschen in Europa glauben nicht, dass es ihnen mal besser gehen wird als uns. Sie haben recht – und sind selbst ein großer Teil des Problems.
Text hinter Paywall:
»Europas Jugend glaubt nicht mehr daran, dass sie es besser als ihre Eltern haben wird.« Das steht über einer Pressemitteilung der TUI Stiftung zu ihrer groß angelegten Jugendstudie 2023, die sie heute vorstellt.
No shit, Sherlock!
Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, hätte man vermutlich nicht 7085 Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren befragen müssen. Ein Blick auf die Straße hätte womöglich gereicht. Vielleicht klebt da gerade einer dieser jungen Menschen, die sagen, dass alles schlimm ist und immer schlimmer wird.
Insofern überrascht es nicht, dass sich die Studie wie ein Abgesang auf die Zukunft liest. Die wichtigsten Stichworte: »Pessimismus auf dem Vormarsch«. »Der Trend zeigt nach unten«. »Ungleichheitsempfinden ist groß«. Und natürlich: »Vertrauensverlust«.
Die jungen Menschen glauben nicht mehr, dass es ihnen mal besser gehen wird als uns, die wir das Glück haben, älter als 26 zu sein. So klingt es im Diskurs tatsächlich: Als gäbe es keine Gnade der Jugend mehr. Als sei es nicht mehr das Allerbeste, sondern inzwischen das Allerschlimmste, Anfang 20 zu sein. Den jungen Menschen ist die Unbeschwertheit verloren gegangen, die diese Lebensphase eigentlich so wunderschön macht.
Problem erkannt und jetzt?
Das ist bitter und doch erklärbar. Schließlich sind wir, die Älteren, es selbst, die den Jüngeren ständig erklären, dass nicht mehr alles besser wird.
»Das deutsche Wohlstandsmodell zerbröselt«, stand unter anderem in der ersten SPIEGEL-Titelgeschichte dieses Jahres. Das kapitalistische Grundversprechen von stetigem Wachstum und den damit verbundenen Aufstiegsmöglichkeiten des und der Einzelnen: Pustekuchen!Deal with it, Gen Z! Die schöne heile und reiche Welt könnt ihr euch malen.
Dass der Kapitalismus ausgedient hat, die Demokratie erodiertund wir in unserer aktuellen Gesellschaftsordnung zu wenig für Verteilungsgerechtigkeit und Chancengleichheittun, muss wohl stimmen. Warum sonst sollten wir es ständig schreiben?
Insofern ist klar, woher die düsteren Zukunftsgedanken junger Menschen kommen. Sie haben allen Grund und das Recht dazu, ihre Sorgen und Ängste zu äußern zumal dann, wenn sie explizit danach gefragt werden. Und trotzdem kann ich es nicht mehr hören.
Es tut mir leid, Jugend Europas, aber euer Pessimismus langweilt mich nicht nur, er kotzt mich an.
Ihr klingt wie eure Mutter
Es hilft nichts, einfach nur schlecht gelaunt zu sein und frustriert auf das zu blicken, was wir euch an Katastrophen hinterlassen werden. Es hilft auch nichts, sich auf Straßen festzukleben und bei Interviews, in Talkshows und in Statements auf euren Social-Media-Kanälen immer so wahnsinnig belämmert zu gucken, als lastete das gesamte Leid der Welt auf euren Schultern.
Seid bitte nicht immer so traurig und betroffen. Erklärt mir nicht zum tausendsten Mal, dass wir nur noch diese wirklich eine letzte Chance haben, die Apokalypse zu vermeiden.
Ihr wollt die Jugend sein? Ihr klingt wie eure Mutter, wenn sie euch als Kleinkind belehrte, nicht auf die Herdplatte zu fassen. Ihr seid jung. Warum müsst ihr dabei so altklug sein?
»No Future«
Eure Weltuntergangsszenarien sind weder neu, noch bringen sie uns voran. Wir wissen das alles. Vieles davon wussten wir vor euch.
Manche von euch sind fest davon überzeugt, dass es unverantwortlich sei, angesichts der Klimakatastrophe Kinder in die Welt zu setzen. Was glaubt ihr, wie viele eurer Eltern sich fest vorgenommen hatten, euch nie zu bekommen, weil sie so große Angst vor der nuklearen Bedrohung und dem dritten Weltkrieg hatten?
Es gab Jugendliche lange vor euch, die extrem pessimistisch waren und mit düsterem Blick in die Zukunft sahen. Doch das »No Future« war eine kreative Kampfansage der Jungen an die Alten, es bedeutete: Ihr, die Alten, habt keine Zukunft, weil wir, die Jungen, die Zukunft sind.
Ihr hingegen sagt: Wir haben alle keine Zukunft. Damit schadet ihr euch mehr als uns, weil es vor allem eure Zukunft ist. Also hört bitte auf mit eurem Fatalismus in eurem eigenen Interesse!
Ja, ich verstehe, dass die Klimakatastrophe real und eine Herausforderung bisher ungekannten Ausmaßes ist. Laut der TUI-Studie ist sie für die meisten von euch das wichtigste politische Problem. Da sind wir uns einig. Und ja, ihr könnt uns noch hundertmal vorwerfen, dass wir nichts oder zu wenig dagegen getan haben und noch immer tun. Aber dadurch ändert ihr doch nichts.
Wir werden einen Weg finden müssen, mit den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft umzugehen. Euer Pessimismus wird euch und uns allen dabei nicht helfen. Ich verstehe, woher er kommt. Aber er ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen.
Wo sind eure Visionen?
Was wir benötigen, sind positive Erzählungen, Optimismus und Utopien. Und wer sollte utopisch sein, wenn nicht junge Menschen mit freien Geistern? Also: ihr.
Gerade, wenn wir uns darauf einigen, dass wir uns in einer Multikrise befinden und die Zeit so sehr drängt, sollten wir schleunigst an kreativen und konstruktiven Lösungsvorschläge arbeiten. Und die müssen vor allem von euch kommen.
Ich gebe zu, dass auch wir als Medien an dem Punkt mehr tun können und vermutlich sogar müssen. Die Menschen konsumieren bevorzugt schlechte Nachrichten, das sehen wir an unseren Zugriffszahlen.
Zeigt uns, dass es anders geht. Treibt uns vor euch her mit einem neuen Narrativ. Fangt an, Optimismus auszustrahlen, lebensbejahende Positivbotschaften zu verbreiten und genau das von uns einzufordern. Lest die guten Nachrichten, seid gute Nachrichten.
Ihr seid die Jugend, es ist euer Job, mit neuen Ideen gegen das alte System aufzubegehren. Euer Pessimismus ist ein natürlicher Feind neuer Ideen. Wann habt ihr zuletzt etwas Überraschendes, Verrücktes getan? Was sind eure klugen, frischen Gedanken?
Mit eurer negativen Weltsicht steht ihr euch selbst im Weg. Vielleicht ist das euer größtes Problem: Ihr seid zu realistisch. Hört auf damit!
Du vermischt da gerade zwei unterschiedliche Gruppen. Ich glaube für Herrn Müller-Michaelis ist das Problem, dass "die Jugend" eben nicht mit allen Mitteln versucht solche Ideen durchzusetzen und viel zu wenig Widerstand gegen den Status-Quo leistet.
Er will halt, dass "die Jugend" eine Vision entwickelt und dann auch zur Wirklichkeit macht. Ich weiß nicht, ob er die dafür notwendige gewaltsame Revolution will, aber es klingt schon ein bisschen als wollte er, dass die Letzte Generaiton eben nicht jammert, sondern irgendwas im Sinne von "They can live in my new world or they can die in their old one." bringt.
Aber an Straßen festkleben ist ihm auch nicht recht.
Es gibt Visionen, es gibt Aktivismus, und es gibt so viel Gegenwind dass man sich ab und zu fast nur hilflos fühlen muss. Wann in den letzten 20 Jahren hat denn mal eine Forderung der "Jugend" irgendwelche Effekte gehabt?
Die "Alten" haben nicht nur den Murks verbaut, in dem wir heute sitzen, sie haben allen nach ihnen kommenden Menschen auch ganz schön nachhaltig den Hebel aus der Hand genommen, daran wieder was zu ändern.
Dann zu fordern "macht doch mal was neues, was verrücktes!" ist schon fucking zynisch.
Er erkennt an, dass der Kapitalismus die Demokratie erodiert, kritisiert aber die Letzte Generation, die einen gelosten Gesellschaftsrat fordert.
Ich kann schon irgendwie nachvollziehen was er sagen will, aber der Text ist inkonsequent. Der Typ ist gute 40 und in einer sehr privilegierten Position im tatsächlich was zu verändern.
Ohne die Medien könnte der Kapitalismus die Demokratie nicht so erodieren wie das der Fall ist. Vielleicht könnte man da mal was machen, anstatt hinter einer Paywall rum zu heulen, dass die Jugend keine Visionen hat.
Malte Müller-Michaelis
Jahrgang 1981, geboren in Hamburg, Studium der Politikwissenschaft und Philosophie in Hamburg und Adelaide. Journalist und Autor, zuletzt »Die 100 besten Trainer im Fußball« (Delius Klasing, 2018). Seit Mai 2016 im Sport-Ressort bei SPIEGEL ONLINE. Seit März 2020 Redakteur mit besonderer Verantwortung bei SPIEGEL+, seit Januar 2021 Chef vom Dienst DER SPIEGEL, seit Oktober 2022 Ressortleitung Leben.
Ich glaube, es gabt seit 50 Jahren keine ähnlich politische Generation wie die jetztigen jungen Menschen gegeben. Was haben die heute 42 jährigen denn gemacht? Nichts. Totalausfall.
Autofreie Innenstädte sind für mich schon ziemliche Utopie und absolut etwas, das ich gerne sehen würde. Aber ich muss mir wohl eher Utopien suchen, die dem Autor mehr passen. Ich bin offen für Vorschläge.
Was ein beschissener Beitrag (EDIT: von diesem Autor nicht von OP natürlich) ich will da eigentlich nicht mal großartig drauf eingehen aber n paar Punkte sind einfach besonders wild.
Wir wissen das alles.
Aber tut nix dagegen das ist ja das Problem du Boomer.
Wann habt ihr zuletzt etwas Überraschendes, Verrücktes getan?
Also vor n paar Tagen haben Leute einfach auf nem Golfplatz auf Sylt angefangen Bäume zu pflanzen. Fand ich schon ziemlich überraschend und verrückt aber das war wahrscheinlich auch nicht recht.
Wann habt ihr zuletzt etwas Überraschendes, Verrücktes getan?
Eat the rich.
Nein, ehrlich. Eine andere Möglichkeit bleibt uns irgendwann nicht mehr. "Es bringt nichts, sich auf Straßen festkleben", schreibt dieser Gockel, der im selben Atemzug jede Verantwortung zur Veränderung von sich weist und gleichzeitig die anderen für ihre Erschöpfung verachtet. Dem gehts offensichtlich zu gut.
Und ja, ihr könnt uns noch hundertmal vorwerfen, dass wir nichts oder zu wenig dagegen getan haben und noch immer tun. Aber dadurch ändert ihr doch nichts. [...]
Treibt uns vor euch her mit einem neuen Narrativ
Also verlangen, dass die Jugend doch gefälligst was tut aber sich vorher im Text über diejenigen mockieren, die genau das versuchen:
Vielleicht klebt da gerade einer dieser jungen Menschen, die sagen, dass alles schlimm ist und immer schlimmer wird
Mit "was tun" meinen wir Boomer arbeiten, etwas erschaffen. Eben nicht protestieren, was ja wieder nur labern ist. Befürchte die bringen sich um wenn sie einen Nagel in die Wand hauen sollen.
Wie jetzt, die ganzen Influencer mit ihren DIY-Kanälen und selbstausgebauten Vans sind doch auch alles nur Taugenichtse, die sich nur präsentieren wollen?
Und wenn etwas geschaffen wird, dann bloß nicht so was neumodisches wie Lastenräder, veganes Essen oder alternative Energieproduktion, welche sich nicht problemlos in den gewohnten Lebensstiel einpassen lassen.
Argumentationen mit solch plumpen Klischees sollen doch eigentlich nur überdecken, dass es selbst an Antworten auf die vorgebrachten Problemen fehlt und diese gefälligst nicht so offen kommuniziert werden sollen.
Ich bin mir nicht sicher wie man mit "erschaffen" Politische Veränderungen bewirken kann. Ich meine Menschen ausbeuten, reich werden und dann Korupte Politiker bestechen könnte funktionieren aber ist auch nicht wirklich nachhaltig.
Mit eurer negativen Weltsicht steht ihr euch selbst im Weg
Bald jede zweite Wählerstimme von Seniorys - sollen die jungen die aus dem Weg räumen oder was soll der Lösungsvorschlag für das Problem sein? Natürlich sind die unsolidarisch. Deshalb gibt's auch so ne Begeisterung für Dienstpflicht und Gleichgültigkeit, wenn CXUler von Rente mit 70 sprechen.
Mit eurer negativen Weltsicht steht ihr euch selbst im Weg. Vielleicht ist das euer größtes Problem: Ihr seid zu realistisch. Hört auf damit!
Grandioser Abschluss für diesen unreflektierten und oberflächlichen Kommentar.
Seid gefälligst genauso ignorant wie wir, dann kann euch egal sein wie negativ die Realität ist. Besonders der Umstand, dass euch die Versäumnisse der Älteren viel härter treffen wird.
Zudem gibt es ja durchaus auch viele Ideen und Innovationen von jungen Menschen. Dies wird vom Autor allerdings überhaupt nicht aufgenommen sondern wie auch oft von älteren Generationen schlicht ignoriert (wenn nicht gar bekämpft). Diese passen halt nicht unbedingt in das etablierte Weltbild älterer Generation.
Durchaus auch ein Faktor für den Pessimismus und die Frustration der Jugend. Wobei es hier immerhin ein halbherziges Eingeständnis des Autors zur Rolle der Medien gibt.
Der Autor sollte mal lieber seinen Altergenossen sagen, dass sie aufhören sollen FDP, CxU und AfD zu wählen, anstatt hier so einen Scheiß über die Jugend zu schreiben. Wo ist denn deine Zukunftsvision?
Immer wenn ich die Aufteilung sehe weine ich innerlich. Aber Marketing für junge Leute hat die FDP bei der letzten Wahl wohl scheinbar gut hinbekommen.
Ist für mich aber schwer begreiflich wie man als junger Mensch meint mit mehr Kapitalismus wird es besser in der Zukunft.
Warum wird so einem Honk noch eine Bühne gegeben? Das ist wie dieser Artikel in der HNA in dem ein HEIZUNGSÖL-Lieferant meinte, dass Wärmepumpen für einen Großteil der deutschen Haushalte gar nicht geeignet wären. Unqualifizierte Ewiggestrige fabulieren sich um Kopf und Kragen, um den “Erhalt ihres Lebensstandards” zu retten/rechtfertigen.
Ja schieß mir ins Knie. Ich kann diese Grütze nicht mehr sehen/lesen/hören.
Treibt uns vor euch her mit einem neuen Narrativ. Fangt an, Optimismus auszustrahlen, lebensbejahende Positivbotschaften zu verbreiten und genau das von uns einzufordern.
Was denn jetzt, will er mit einem neuen Narrativ getrieben werden oder will er vorab festlegen, was das Narativ sein soll?
Ihr seid die Jugend, es ist euer Job, mit neuen Ideen gegen das alte System aufzubegehren. Euer Pessimismus ist ein natürlicher Feind neuer Ideen. Wann habt ihr zuletzt etwas Überraschendes, Verrücktes getan? Was sind eure klugen, frischen Gedanken?
Damit kann ich schon mehr anfangen. Tritt ab, mach Platz. Geld, Macht, Reichweite. Nicht persönlich nehmen, ist so'n Generationending.
Formale Korrektur: Ein 42-jähriger Boomer ist unmöglich. Der Babyboom endete spätestens um 1965, d.h. die jüngsten Boomer sind heute ~58 Jahre alt.
Zum Inhalt: Irgendwer schreibt irgendwas über irgendwen, damit irgendwer drauf reagiert. Das hat geklappt, daher bravo an den Spiegel. Der Artikel ist oberflächlich und bietet keine interessante Einsicht (die Ironie!), ist also nicht der Rede wert.
Du hast natürlich Recht. Das Oxymoron ist aber bewusst gewählt. Er ist ein Boomer im Herzen. Was es irgendwie noch trauriger macht. So wie Philipp Amthor. Und dann gibt es Leute wie Slavoj Zizek, die niemals echte Boomer waren, obwohl sie in der Zeit geboren wurden.
Leute wie Slavoj Zizek, die niemals echte Boomer waren
Wer Begriffe umdefiniert, um damit emotionale Reaktionen hervorzurufen und Leute zu brandmarken, ist ebensowenig an Argumenten interessiert, wie der Autor des Artikels.
Boomer beschreibt auch Boomer im Geiste, so wie eine Karen nicht auch zwangsläufig weiblich sein muss, sondern durch bestimmte Verhaltensmuster auffällt.
Jep, mit 42 ist man entweder späte Gen X (1980) oder sehr früher Millennial (1981). Von Avocadotoast und "ruining the economy" zu Boomervorwürfen in knapp 6 Jahren. 🥹
Die Frage ist ja ob wir Boomer sooo sehr anders waren in jungen Jahre. Faul? Definitiv. Politisch verpeilt? Klar. Wir haben CheGuevara auf der Strasse geschrien. Lieber Rot als Tod. Kernkraft nein Danke. War alles falsch und verpeilt. Also was unterscheidet GenZ denn so sehr von uns?