Berichte über rassistische Gesänge machten den Anfang, jetzt gibt es einen weiteren Verdachtsfall: Auch ein Beamtenanwärter soll sich entsprechend geäußert haben.
Die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung im Studienzentrum der Finanzverwaltung im hessischen Rotenburg sind auf einen weiteren Fall ausgeweitet worden. Zwei Zeuginnen hätten von möglichen rassistischen Äußerungen eines Beamtenanwärters im Zeitraum September oder Oktober 2023 berichtet, teilten Staatsanwaltschaft Fulda und das Polizeipräsidium Osthessen am Freitag mit. Gegen einen 33-jährigen Justizsekretäranwärter werde nun wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt.
Die Ermittlungen gegen unbekannt wegen »möglicher fremdenfeindlicher Gesänge« bei einer Feier am 23. Januar auf dem Gelände der Bildungseinrichtung dauern den Angaben zufolge noch an. »Insbesondere stehen noch zahlreiche Zeugenvernehmungen zur Konkretisierung der Tatzeiten und des genauen Wortlauts der Äußerungen aus«, heißt es in der Mitteilung. Weitere Einzelheiten wollten Staatsanwaltschaft und Polizei mit Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren nicht nennen.
Die Party war nach Recherchen des SPIEGEL von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des aktuellen Prüfungsjahrgangs organisiert worden. An der Feier konnten Studierende und Auszubildende aus allen Fach- und Lehrbereichen der Bildungseinrichtung teilnehmen. Gäste von außerhalb seien nicht zugelassen gewesen, erklärt die Hochschulleitung. Zu einem Popsong soll eine Gruppe der Feiernden rechtsextreme Parolen wie »Deutschland den Deutschen« und »Ausländer raus« gegrölt haben. Etwa 100 Personen sollen im »Beatkeller« der Fachhochschule gefeiert haben.
Neue Beratungsstelle für Betroffene
Als Konsequenz soll kommenden Montag eine Beratungsstelle für Studierende eingerichtet werden, die von Diskriminierung betroffen seien, sagte Finanzminister Alexander Lorz (CDU) in Frankfurt am Main. Derzeit würden in Rotenburg »intern in unterschiedlichen Formen viele Gespräche mit den Studierenden geführt und diese dabei ermuntert, mögliche Fälle von Diskriminierung oder Rassismus zu benennen«, erklärte das Finanzministerium. Der neue Verdachtsfall aus dem Fachbereich der Justiz sei infolgedessen bekannt geworden. Die Leitung habe direkt die Ermittlungsbehörden eingeschaltet.
Das Studienzentrum der Finanzverwaltung und der Justiz bildet nach eigenen Angaben jährlich rund 1000 neue duale Studierende sowie Auszubildende für den öffentlichen Dienst aus. Davon entfallen auf die hessische Finanzverwaltung etwa 820 und auf die hessische und teilweise thüringische Justiz etwa 210 neue Anwärter und Anwärterinnen.
Schulungen zu Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung
Lorz berichtete über eine seit vier Jahren bestehende Zusammenarbeit mit der Bildungsstätte Anne Frank, die Schulungen in der Aus- und Fortbildung der hessischen Steuerverwaltung zu Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung anbietet. Rund 1200 Anwärterinnen und Anwärter hätten bisher teilgenommen. Entstanden sei die Kooperation nach einem rassistischen Vorfall im Jahr 2019 in Rotenburg. Ein Anwärter habe den Hitlergruß gezeigt. Gegen ihn sei Strafantrag gestellt und dienstrechtlich vorgegangen worden. Er sei aus dem Dienst ausgeschieden. Lorz sprach von Einzelfällen angesichts von insgesamt 16.000 Beschäftigten der Finanzverwaltung.