Einmal Kleben reicht. Ich habe fürs erste mal einfach einen Strafbefehl bekommen (also "Verurteilung" ohne Prozess). Den habe ich dann vor Gericht angefochten.
Ich mache mir besonders Sorgen dass ich dann vorbestraft bin. Das ist natürlich Teil des Risikos das ich willentlich eingehe, aber es würde mir meine Aussicht auf Jobs die ich gerne machen würde ziemlich zerschießen.
Ich hatte während und nach dem Prozess eigentlich sehr positive Gefühle. Ich habe mich selbst verteidigt (Erfahrungswerte die die LG gemacht hat zeigen dass der Ausgang eines Verfahrens ziemlich unabhängig davon ist ob man einen Anwalt hat oder sich selbst verteidigt) und habe eine Einlassung/letztes Wort vorbereitet welche ich dann vorgelesen habe. Das war mega empowering und es hat sich sehr gut angefühlt für die Sache einzustehen und sich nicht hinter einem Anwalt zu verstecken.
Was mich aufgeregt hat: Einer der Polizisten die als Zeuge geladen wurden hat ausgesagt dass der Stau den wir verursacht haben ca 400m lang war. Die Richterin hat dann aber während der Urteilsverkündung von einem kilometerlangen Stau gesprochen. Sie hat also nicht sehr gut zugehört.
Nur als Hinweis: das mit der Vorstrafe < 90 Tagessätzen ist so eine Sache. Denn im Führungszeugnis bist du dann noch nicht vorbestraft, allerdings werden diese Verurteilungen im Bundeszentralregister dennoch aufgeführt. Wenn dann eine zweite Strafe dazu kommt, auch wenn diese auch unter 90 TS liegt, werden diese beiden Strafen im BZR aufgeführt. Weil du dir wegen möglichen Jobs Sorgen machst: die meisten öffentlichen Träger (z.B. auch Universitäten) fragen nach einem Führungszeugnis für Behörden und dort sind dann die Einträge aus dem BZR drin, d.h. du bist für diese Träger dann nicht strafenlos.
1: Teilweise verhält sich die Polizei ziemlich korrekt, vorallem wenn Kameras da sind. Ich hab aber auch schon selber Schmerzgriffe erfahren müssen. Von Autofahren habe ich deutlich mehr (verbale) Gewalt erfahren. Ich wurde beleidigt, bespuckt, einer hat gedroht seinen Hund auf mich loszulassen, ein anderer hat gedroht mich anzupinkeln, wieder eine andere hat mich weggeschleift. Wir wehren uns aber nie, weder physisch noch verbal.
2: Ich habe leider noch keine schriftliche Urteilsbegründung. Mündlich wurde gesagt dass die Protestform falsch ist, und dass ich einen "Kilometerlangen Stau" verursacht habe (was garnicht gestimmt hat). Eine wirkliche Begründung wurde nicht ausgesprochen. Deswegen gehe ich auch in Berufung.
Wie hoch schätzt du die Wahrscheinlichkeit ein, dass, sollte sich nichts signifikant verändern durch eure Proteste, sich ein Teil der LG radikalisiert und eventuell zu militanten Mitteln greift?
Also die aller-allermeisten Mitglieder der LG schreiben sich die Gewaltfreiheit ganz groß auf die Fahne. Die LG toleriert Gewalt (physisch oder verbal) kein bisschen. Ich hab aber leider auch schon ein paar Antifa-Menschen in der LG getroffen, und ich kann mir vorstellen dass sich da manche auch radikalisieren. Dass es zur Nutzung von militanten Mitteln kommt kann ich mir aber nicht vorstellen.
Ich bin vor kurzem Vater geworden und unsere Kleine fängt gerade an zu krabbeln und nimmt das ganze Haus unter die Lupe, vor allem die Leisten haben es ihr angetan. Ich würde zwei in einer der Wohnungsecken gerne mit dem Plastikverbindungsstück verkleben, aber sie schafft es trotzdem jedesmal die zu zerlegen. Welchen Kleber könntest Du mir da empfehlen?
Am besten die gesamte Leiste plus Wand in Sekundenkleber tränken, dann Sand drüber streuen und den Sand nochmal in Sekundenkleber tränken. Nimm am besten lebensmittelsicheren Sekundenkleber und Sand, falls die Kleine mit dem Mund dran geht. Viel Glück!
Wie lange hat das alles gedauert, von der Klebeaktion bis zur Verurteilung, wie lang war der Prozess? Ich nehme an du wurdest verhaftet, wie lange warst du in Haft?
Kaum einer der blockiert wird verhaftet, es sei denn du blockierst zb eine Start/Landebahn. Stattdessen werden wir für ein paar Stunden bis hin zu Tagen in Gewahrsam genommen weil das Risiko besteht dass wir nochmal blockieren (was auch stimmt).
Mein erstes Mal war letztes Jahr im Oktober, und den Strafbefehl habe ich im März bekommen. Das Verfahren war letzte Woche. Der Prozess selbst hat nur 30 Minuten gedauert.
Ich erledige hier alles zu Fuß und gelegentlich mit Bus und Taxi, bin also nicht betroffen. Trotzdem halte ich Eure Aktionen für kontraproduktiv.
Beispiel Rettungsgasse: wer glaubt, daß man die im innerstädtischen Verkehr im Stau nachträglich bilden kann, ist naiv, wenn die Autos dicht an dicht stehen. Das funktioniert nur auf der Autobahn reibungslos.
Beispiel Wirkung: alle reden über Klimakleber, niemand über's Klima. Weil einige von Euch Mist abgeliefert hatten. Beispiel: die beiden in der Elbphilharmonie hatten sich lächerlich gemacht. Genauso die Leute, die unfähig waren, ein liebevoll gepflegtes Oldtimer-Flugzeug mit wenigen Flugstunden im Jahr von einem Business-Jet zu unterscheiden, um es dann neu zu lackieren (der Schaden ist 5stellig). Wie siehst Du das?
Für sich genommen sind solche Aktionen natürlich bescheuert, vorallem das Flugzeug war peinlich finde ich. Aber ich finde nicht dass man erwarten kann das unser Protest auf breiter Front perfekt sein muss. Außerdem ist es nicht Ziel der LG gemocht zu werden, sondern auf den Notfall aufmerksam zu machen, und das funktioniert sowohl mit positiver als auch mit negativer Publicity.
Vielleicht hast du schonmal etwas vom Zuschauereffekt gehört? Das ist wenn bei einem Notfall die Leute nur drumrum stehen und nicht helfen. Das passiert weil die einzelne Person sieht dass die anderen nicht helfen bzw reagieren, und das macht es dann unwahrscheinlicher dass auch du reagierst.
Das gleiche passiert auch in großem Stil in unserer Gesellschaft, und es braucht einfach Menschen die auf den Notfall reagieren damit auch andere in den "Notfall-Modus" umschalten. (Bzw ist es in unserer Gesellschaft sogar noch schlimmer als in meinem Beispiel weil ja der Klimawandel aus so mancher Ecke heruntergespielt oder bzw sogar geleugnet wird)
Aber das werden die Reaktionen auch nicht sein. Würde ich im Klimakleber-Stau stehen, ich würde mir Null Gedanken ums Klima machen, einfach auf die Polizei warten und dann weiterfahren, ohne drüber nachzudenken.
Man kann Menschen nicht mit solchen Aktionen zum Nachdenken bewegen. Das kann nur jedes Individuum durch Nachdenken. Heizung runterdrehen, kühler mit weniger Wassermenge Duschen, mache ich ja alles. Einfach nur aufgrund meiner Fähigkeit, zu denken. Den Rest der Welt kann man mit Kleberaktionen nicht abholen.