Zu schnelles Fahren, Falschparken und Luftverpestung: In keinem Lebensbereich wird unsoziales Verhalten so wenig geahndet wie im Autoverkehr. Warum es vielen schwerfällt, das Thema Auto objektiv zu betrachten.
Motonormativity = car brain
der zweite Begriff ist so schön direkt
Wenn man sich ein Leben ohne Auto so wenig vorstellen kann wie ohne zu atmen.
Wenn die Autonutzung genau so selbstverständlich ist wie atmen.
Wenn der Führerschein und das erste Auto DAS Initiationsritual für das Erwachsenwerden sind.
Wenn man im Alter den Führerschein nicht abgegen kann weil man es als gleichbedeutend mit dem Abgeben der Freiheit und des Status als Erwachsener sieht und weil man Panik vor dem öffentlichen Nahverkehr hat, den man 50 Jahre gemieden hat.
Wenn man den Stempel, den das Auto unserer Welt aufgedrückt hat nicht als solchen erkennen kann "weil es immer schon so war" aber gleichzeitig im Urlaub von den Orten schwärmt "die ganz ohne Autos waren".
Wenn das Budget für das Auto vor Miete und Nebenkosten kommt, weil zur Not kann man auch im Auto schlafen aber ohne Auto ist man "wertlos" während ohne Wohnung "bloss" wohnungslos.
Wenn die Größe des Autos den Selbstwert darstellt und/oder man den Partner nach der Automarke wählt.
Wenn man als Kind schon die 400 Meter zum Kindergarten gefahren wird, zur Schule, zu Freunden und zum Musikunterricht und man mit 12 Jahren nicht weiß wo man an der Straßenbahntür drücken muss, damit sie aufgeht oder wie man sich an einem Fahrplan orientiert.
Wenn man gefragt wird wo man sein Auto abgestellt hat und man sagt "wir sind mit der Bahn gekommen" und dann nochmal gefragt wird "ja aber wo habt ihr das Auto geparkt" weil die Vorstellung wir seien 500 km mit der Bahn gefahren so unvorstellbar ist, dass wir sicher das Auto am Stadtrand geparkt haben müssen und nur den Restweg mit dem ÖPNV gefahren sein können.
Car brain und ich bin der festen Überzeugung, dass wer nicht hin und wieder eine autofreie Zeit einbaut nicht mehr selber einschätzen kann wie sehr das eigene Gehirn tatsächlich vom Auto übernommen wurde. "Ich kann es jederzeit lassen" haha oder meist "aber meine Situation ist so speziell dass ich nicht ohne Auto kann", genau. Der Punkt ist: ein Auto haben ist im höchsten Grad süchtig machend nach einem Auto, es sich abgewöhnen für viele unvorstellbar oder zumindestens sehr schwer.
Ich hatte nie ein Auto und habe auch den Plan nie eins zu besitzen. Ich erinnere mich noch als ich von Zuhause weggezogen bin, wie ich immer wenn ich zu Besuch bei meinen Eltern war, für die dümmsten Strecken das Auto genommen habe. Abends noch Bock auf Chips gehabt, mit dem Auto zur 1km entfernten Tanke gefahren. Ich finde es ähnlich wie Fernsehen. Habe nämlich auch noch nie einen Fernseher besessen und immer wenn ich in der Heimat war, bin ich vor dem Teil versackt.
Ist in gewisser Weise ähnlich wie bei Social Media, ungesundem Essen usw. Man muss tatsächlich schon bei der Beschaffung ansetzen sonst hat man verloren. Hat man erst mal die Chips zu Hause oder die Benachrichtigungen für den Social Media Account auf dem Handy ist es nicht mehr möglich in jeder einzelnen Minute den Willen aufzubringen dem zu widerstehen.
Nein, hier werden keine Fahrradwege abgerissen und öffentliche Verkehrsmittel reduziert während Milliarden in der Ausbau der Strassen und Subventionierung von Autos gesteckt werden. Das ist in Wirklichkeit alles nur in meinem Kopf und ich bin nur zu blöd das zu ändern...
Das ist doch eine glatte Lüge, ich verstehe die Aufregung gar nicht. Bei uns wurde jüngst erst ein Fahrradweg "gebaut". Natürlich nicht baulich getrennt und entgegen der Fahrtrichtung. Alles in bester Ordnung, sei jetzt bitte ein guter Bürger und kaufe ein SUV.
Ich verstehe vollkommen dass es in vielen Fällen bequemer ist Auto zu fahren, hatte selber fünf Jahre ein Auto obwohl es nicht notwendig war.
Gerade bin ich in den USA unterwegs und ich bekomme Angst dass unsere autozentrierte Kultur nach und nach immer weiter Deutschland in dieselbe Richtung entwickelt.
In DE ist es meist nur ein bisschen unbequem ohne Auto. Hier ist es unmöglich, weil alles so aufs Auto ausgerichtet wurde das es keine Alternativen mehr gibt.
Als Resultat jahrzehntelanger Autoausrichtung sind viele Städte pleite weil Straßen zu pflegen teuer ist. Die Städte sind gleichzeitig riesig weil die Dichte so gering ist und du brauchst ewig von a nach b weil die Strecken so groß sind.
Ich hoffe wir schaffen es bald endlich weg von der Idee neuer Straßen
Solange die Industrie noch Geld damit verdienen kann, indem das Marketing verspricht. dass große Autos geiler sind und mehr Autos zu besitzen auch, befürchte ich wird das nix.
Ich glaube, da ist auch ein altes Heilsversprechen der SPD schuld, dass wir uns in dieser Situation befinden. In den 60ern (oder 70ern) war es ein erklärtes Ziel, dass sich jede Arbeiterfamilie ein Auto leisten kann. Mehr Autos bauen, mehr Arbeit usw. Dieser Auto-SPD fällt es heute noch sehr schwer, sich von diesem Mantra zu lösen. Anders kann ich mir ihr Verhalten nicht erklären.
Ich denke, die Lösung liegt in der Stadtplanung. Momentan tun sich Städte schwer mit der vergrößerung, wegen umweltschutz und versiegelung. Und wenn, dann entstehen Baugebiete für EFHs in Vorstädten.
Bei Dörfern dagegen werden Äcker in Bauland umgewandelt, die verdienen damit ein Heidengeld. Und die armen Bauherren bauen dann dort, weil es ja billiger ist. Die Angewiesenheit auf das Auto wird dabei eher weniger bedacht. Von den aktuellen kosten ist es ja eher nebensächlich.
Die Dörfer werden sich aber auch noch wundern wie teuer Infrastruktur (Rohre und Leitungen, Straßen, Abdeckung von Rettung, Polizei, Feuerwehr, Müllabfuhr,...) bei niedriger Bevölkerungsdichte denn ist auf lange Sicht.
Für viele sind Verkehrsverstöße nur Bagatelldelikte.
Solange wir versuchen, ein Leben ohne Auto exakt mit ÖPNV oder Fahrrad abzubilden, werden wir scheitern. Man muss auch anders leben, einkaufen und reisen, wenn das Auto nicht eh da steht. Das ist halt anstrengend und der Wille ist nicht vorhanden.
In Augsburg kann ich in 25-30 min von der Stadtmitte mit dem Fahrrad an jedem Stadtrand sein. Wenn ich die Tür zu Tür Zeit vom Auto incl. Parkplatzsuche und Fußweg vom / zum Auto ansehe, benötigt das Auto oft länger. Will halt keiner sehen.
Du denkst dabei aber auch nur an die Stadt, da macht es absolut Sinn mehr auf Öffis und Fahrräder zu setzen (Oder elektrische vollautonome Taxis in der Zukunft die du einfach mit ner App rufst).
Am Land sieht die Sache leider ganz anders aus. Busse gehen vielleicht mal einer pro Stunde in die Richtung die du willst, aber auch nicht 24/7. Und der nächste Supermarkt ist gern mal 2-5 km weit weg. Im Sommer packst du das vielleicht noch mit dem Rad (wenn du nicht zu viel einkaufst, ist schon nervig), aber was machst du im Winter? Ganz zu schweigen davon wenn du Tiefkühlware mit dabei hast, da ist selbst zu Fuß 20 Minuten zu weit bei aktuell 30°C.
In der Stadt lässt sich haufenweise machen, aber auf dem Land ist die einzige Alternative elektrische Autos. Wobei man hier auch über ein Modell nachdenken kann bei dem man das Auto selbst nicht mehr besitzt (Setzt wiederum vollautonome Autos vorraus, du rufst dir halt eines wenn du es gerade brauchst, aber sonst steht es für andere zur Verfügung).
Wobei man hier auch über ein Modell nachdenken kann bei dem man das Auto selbst nicht mehr besitzt.
Carsharing geht auch auf den Land. Bei Anruf Auto teilen sich in Schnitt 10 Familien ein Carsharing Auto
Man nimmt sich eine gewisse Spontanität, wenn man nicht 100% sicher sein kann, dass das justament jetzt sofort verfügbar ist. Aber man spart auch ein paar hundert Euro im Monat.
Ab ca 10.000 km p.a. rentiert sich ein eigenes Auto, vorher ist Carsharing günstiger.