Die Grenze höher anzusetzen (oder - ohgott die armen Millionäre! - bloß nicht anzutasten) fordern erwartbar verschiedene Parteien. Bis auf Die Linke [1, 2] scheint allerdings niemand darüber nachzudenken, diese tatsächlich einfach abzuschaffen. 2016 gab es die Idee, feministisch gedacht, mal aus der Richtung einer SPD-Familienministerin, innerhalb der Partei gab aufgrund von Sorgen um entsprechend steigende Rentenbeiträge allerdings genug Gegenwind um die Überlegung wohl gleich ganz zu begraben und sich mit der jährlichen Anpassung zu begnügen, die wohl gerade ein kleines Stückchen besser ist, als nichts zu tun und durch Inflation und Lohnentwicklung immer weitere Teile der Arbeitnehmer:innen hineinrutschen zu lassen. Durch die Schonung der Sozialversicherungsbeiträge bei den reichsten Prozent unserer Gesellschaft entgeht dem Staat dabei in Zeiten von Einsparungsnöten an allen Ecken wahrscheinlich immense Summen, die anderswo investiert gehören. Das sorgt bei mir für Kopfschütteln.
Ich glaube: Wenn mehr Menschen wüssten, dass diese Grenze existiert und wie sie funktioniert, müsste es eigentlich mehr Gegenwind dagegen geben, anders kann ich mir das nicht erklären. Im Kern halte ich sie für einen fundamental unfairen Mechanismus, der im besten Fall dazu dient, sich politisch den Allerreichsten unserer Bevölkerung anzubiedern, um diese bloß nicht verhältnismäßig zu belasten wie den Rest.
Wie ist eure Meinung dazu? Gibt es Aspekte, die tatsächlich für die Grenze sprechen, oder was soll das ganze eigentlich?
Menschen, die gut verdienen, werden heute schon an allen Ecken und Enden geschröpft. Dabei unterscheiden sie sich kaum signifikant von Geringverdienern: Ja, da bleibt am Ende des Monats vielleicht was übrig. Aber sie müssen genauso ihre Lebenszeit eintauschen, um ihre Rechnungen zu zahlen und vorallem die Ansprüche der Kapitaleigner zu erwirtschaften. Sie sind definitiv nicht reich. Die Grenzen höher anzusetzen trifft aber genau sie und wen nicht? Millionäre und allgemein Entitäten, die von Kapitalerträgen leben können. Da liegt das Geld - literally - und da muss der Sozialstaat es holen. Arbeit ist bereits viel zu hoch belastet, Kapital ist viel zu gering belastet. Zumal die Arbeit die Rendite des Kapitals erwirtschaften muss und nicht umgekehrt. Statt die Opfer der kalten Progression, nämlich die Mittelschicht, die heute Spitzensteuersatz bezahlt, nocht weiter zu belasten, sollten Steuern und Sozialabgaben für die meisten Arbeitnehmer runter und für die absoluten Topverdiener wie Ärzte, Notare, angestellte Geschäftsführer rauf, aber vorallem sollten sie für Firmen und Kapitalerträge geradezu explodieren.
Why not both? Ich wäre sofort dabei, Kapital mehr zu belasten, aber das ist ja nochmal ein ganz anderes Thema. Mit der Frage, ob Beiträge ab einem hohen Gehalt irgendwann nicht mehr steigen sollten, hat das aus meiner Sicht erstmal wenig zu tun.
Bei einer Sache würde ich dir allerdings widersprechen - wer über 7.000€ im Monat bekommt repräsentiert wohl kaum die Mittelschicht Deutschlands. Die meisten Arbeitnehmer:innen würden von einer Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze profitieren, weil man die mittleren Beiträge durch die Mehreinnahmen reduzieren konnte. "Sozialabgaben rauf für die Topverdiener", wie du das schreibst. Genau darum geht es mir bei diesen Thema.
Weil Arbeitseinkommen bereits relativ wertlos geworden sind. Ob und vorallem welches Haus deine Eltern mal gekauft haben, ist wichtiger, als das, was du dein leben lang arbeitest.
wer über 7.000€ im Monat bekommt repräsentiert wohl kaum die Mittelschicht Deutschlands.
Da solltest du mal dein Bild revidieren und anfangen, die Alterskomponente berücksichtigen: 7.000€ im Monat ist ein Boomer mit Realschulabschluss am Ende seiner Karriere. Natürlich nicht, wenn er ein Leben lang da geblieben ist, wo er angefangen hat und Verantwortung abgelehnt hat, wo auch immer sie ihm begegnet ist. Aber jemanden, der überhaupt nicht bereit ist, irgendetwas an seiner Situation zu verbessern, würde ich auch nicht zur Mittelschicht zählen.
Die meisten Arbeitnehmer:innen würden von einer Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze profitieren, weil man die mittleren Beiträge durch die Mehreinnahmen reduzieren konnte.
Da möchte ich mal erhebliche Zweifel anmelden. Auch wenn du dir das so ausmalst, wird mehr Geld nicht zu einer Entlastung von geringen Einkommen führen, sondern einfach zu größeren Ausgaben. Die Rentner wissen ja nicht, wie gut es ihnen geht, deswegen kann man ihnen stetig noch ein weiteres Bonbon hinwerfen und was ist dazu besser geeignet als fürs Gesundheits- und Pflegesystem noch mehr Geld rauszuhauen. Es gibt immer noch irgendein Wehwehchen, das der Staat lindern kann, indem er die Jungen und Erwerbsabhängigen auspresst.
Wo verortest du denn "absolute Topverdiener" wie Ärzte, wenn nicht bei über 7000 Euro? Ich hab den Eindruck du willst sie aufgrund ihres beruflichen Prestiges mehr belasten, aber nicht einsehen, dass genau die die Mittelschicht sind, die du nicht belasten willst.
Experten gehen davon aus, dass als Einkommen unter dem Strich etwa 25 % des Reinertrags einer Praxis übrig bleiben. Und dann ist noch die Frage offen, wie viel sich Ärzte tatsächlich als Lohn auszahlen oder wieder in ihren Betrieb investieren.
Wenn du in der Tabelle schaust und 25% der Reinerträge als Gehalt annimmst, kommst du nur bei Radiologen auf über 250k im Jahr, also 20k im Monat; beim Augenarzt sind es nur noch 90k im Jahr oder 7500 im Monat, bei allen anderen Fachärzten weniger. Und ich vermute die Faustregel mit 25% trifft auf Radiologen nicht ganz zu, weil radiologische Geräte extrem teuer sind.
Deshalb als Fazit
Im Einzelfall kommt es aber immer auf die Kostenstruktur einer Arztpraxis an, sodass es sich nur um Richtwerte handelt. Durch die hohe Abgabenlast sind 50 % für Aufwendungen keine Seltenheit für Praxisinhaber, sodass das monatliche Gehalt als niedergelassener Arzt oft nicht sehr weit über 6.000 Euro hinausgeht.