„Wir brauchen neue Arbeitszeitmodelle“, meint Sachsens Ministerpräsident Kretschmer. Sein Vorschlag: Längere Wochenarbeitszeiten und die Abschaffung der Rente mit 63.
Wir brauchen neue Arbeitszeitmodelle“, meint Sachsens Ministerpräsident Kretschmer. Sein Vorschlag: Längere Wochenarbeitszeiten und die Abschaffung der Rente mit 63.
Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und die Sozialsysteme zu sichern, schlägt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer eine generelle Verlängerung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde vor.
„Würde jeder Erwerbstätige in Deutschland nur eine Stunde pro Woche länger arbeiten, würde sich ein großes Potenzial für die Bekämpfung des Fachkräftemangels ergeben“, sagte der CDU-Politiker dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Laut OECD entspricht dies annähernd 1,8 Millionen zusätzlichen Arbeits- und Fachkräften“, so Kretschmer.
Auch der Rechtsanspruch auf Teilzeit solle Sachsens Regierungschef zufolge überarbeitet werden: „Das Teilzeit- und Befristungsgesetz passt nicht in die Zeit.“
Unter den richtigen Bedingungen eine durchaus zustimmungsfähige Aussage: Wir brauchen mehr Anreiz für Längere Wochenarbeitszeiten. Reduzierte Steuersätze auf Überstunden für Vollzeitkräfte. Da muss im rechnerischen Stundenlohn ein deutliches Plus gegenüber der 9-to-5-Woche stehen. Bevor man das macht, sollte man aber erst mal Vollzeit gegenüber Teilzeit incentivieren, indem man die über Jahre angestaute kalte Progression zurücksetzt: Steuerprogression flacher ansteigen und auf höherem Niveau plateauen lassen. Spitzensteuersatz liegt grade bei 42% und zwar ab 62.810 Euro. Wie wäre es stattdessen mit 50% 180.000 Euro?
Wir brauchen mehr Anreiz für Längere Wochenarbeitszeiten. Reduzierte Steuersätze auf Überstunden für Vollzeitkräfte.
Warum soll das der Steuerzahler bezahlen? Wenn das Unternehmen will, dass die Leute Überstunden machen, kann's das gerne selber zahlen. Statt einzustellen, bestehende Mitarbeiter ausnutzen, staatlich gefördert. Ne danke.
Das Steueraufkommen würde sich erhöhen. Eine Beispielrechnung:
10 Steuerzahler, die 40 Stunden arbeiten
Steuersatz 50%
Steuersatz für Überstunden 25%
Status quo: 400 geleistete Arbeitsstunden und daher 200 Steuereinheiten eingenommen. Wenn du den Anreiz setzt und nur 20% der Vollzeitleute jetzt noch mal 5 Stunden extra schieben, haben wir also 410 geleistete Arbeitsstunden und 202,5 Steuereinheiten eingenommen. Die Arbeitnehmer haben mehr in der Tasche (und zwar 18,75% mehr Geld für 12,5% mehr Arbeit), das Unternehmen hat mehr Arbeitsleistung bekommen (2,5%) und der Staat hat mehr eingenommen (1,25%). Alle gewinnen außer das Narrativ vom Fachkräftemangel.
Deine Rechnung ist reines schöngerechne. Arbeit entsteht nicht einfach durch mehr Arbeitszeit. Hier mal ne andere Rechnung:
Team A hat 240h Arbeit pro Woche zu verteilen auf 6 Mitarbeiter. Jeder arbeitet 40h, zahlt Steuern, alle sind glücklich.
Team B hat ebenfalls 240h Arbeit pro Woche zu verteilen aber seine Personalplanung versemmelt und nur 5 Mitarbeiter. Jeder arbeitet 48h, ist unglücklich, potentieller Mitarbeiter 6 ist arbeitslos. Dank deines Steuermodells kann der Arbeitgeber aber die Löhne drücken, Staat gleicht ja aus. Staat hat weniger Geld. Unternehmen glücklich, alle anderen unglücklich.
In einer Welt mit deinem Steuersystem würden Unternehmen davor zurück schrecken neue Leute einzustellen und stattdessen jede Person so viel arbeiten lassen wie irgendwie möglich, folgerichtig nach den staatlichen Anreizen. Jeder der nicht bereit ist, mehr zu arbeiten wird unter Druck gesetzt. So ticken Unternehmen, selbst die sozialsten können sich nicht vor staatlichen Anreizen dieser Art verschließen.
Überstunden sind kein Mittel Löhne zu steigern, Überstunden sind ein Symptom schlechter Planung. Entweder vom Arbeitnehmer selbst (selten) oder viel häufiger vom Arbeitgeber. Im bisherigen System würde Team B die Arbeit nicht schaffen, die Fehlplanung im besten Fall auffallen und korrigiert werden. Dein System dagegen begünstigt und fördert schlechte Planung. Team A gilt dafür dann als ineffizient und wird unter Druck gesetzt wie Team B zu arbeiten.
Team B hat ebenfalls 240h Arbeit pro Woche zu verteilen aber seine Personalplanung versemmelt und nur 5 Mitarbeiter. Jeder arbeitet 48h, ist unglücklich, potentieller Mitarbeiter 6 ist arbeitslos. Dank deines Steuermodells kann der Arbeitgeber aber die Löhne drücken, Staat gleicht ja aus.
Bis auf die Behauptung, dass dieses Steuermodell die Löhne drücken würde, halte ich deine Überlegung für valide. Einer der entscheidenden Punkte dafür, was tatsächlich eintreteten würde, wäre dann wohl, wie hoch der Sockelbetrag ist, den das Unternehmen quasi als Fixum pro Kopf zahlen muss und ob man diese Pro-Kopf-Kosten in einer begleitenden Maßnahme senken kann. Einen weiteren entscheidenden Punkt schauen wir uns jetzt noch an:
Arbeit entsteht nicht einfach durch mehr Arbeitszeit.
Da gebe ich dir völlig Recht. Aber derzeit haben Unternehmen mehr Arbeit als Angestellte, die diese Arbeit bewältigen können. Deine Annahme Team A hat 240h Arbeit pro Woche zu verteilen auf 6 Mitarbeiter. Jeder arbeitet 40hals Regelfall ist also mindestens zweifelhaft. Der Regelfall ist heute abgesehen von Team A und Team B ein dritter Fall Team C: es gibt 300h Arbeit, 6 Mitarbeiter und je 40h Arbeit. Das Unternehmen wünscht sich Mehrarbeit und kann die Arbeitnehmer natürlich wegen des abnehmenden Grenznutzen des Geldes einerseits und des stark steigenden Grenznutzen der Freizeit nicht dazu überzeugen, noch mehr zu arbeiten. Es mangelt nicht auf Unternehmensseite an Gründen, Mehrarbeit zu wünschen, sondern auf Arbeitnehmerseite, sie auch abzuleisten. Daher wenden sich Unternehmensverbände ja auch ständig an die Politik und schwadronieren von Mehrarbeit. Geizigkeit bei Löhnen ist sicherlich ein Grund, aber Arbeitnehmermangel der viel dringlichere.
In einer Welt mit deinem Steuersystem würden Unternehmen davor zurück schrecken neue Leute einzustellen und stattdessen jede Person so viel arbeiten lassen wie irgendwie möglich, folgerichtig nach den staatlichen Anreizen.
Kann ich nicht unterschreiben. Der Anreiz landet beim Arbeitnehmer, nicht beim Unternehmen. Das Unternehmen hat auch heute schon keine Mehrkosten, die Arbeitnehmer Mehrarbeit verrichten zu lassen. Der Fall, den du beschreibst, wie gesagt ein sehr berechtigter Einwand, würde deswegen meiner Einschätzung nach nur genau dort eintreten, wo er ohnehin schon eingetreten ist. Es würde sich nichts verschlechtern, aber für viele etwas verbessern.
Einige kleinere Anmerkungen:
Überstunden sind kein Mittel Löhne zu steigern
Würde im von mir vorgeschlagenen Modell ja nicht passieren. Überstunden würden nicht die Löhne steigern, sondern das Arbeitnehmer-Netto und das individuelle Arbeitsvolumen.
Überstunden sind ein Symptom schlechter Planung
Nur weil etwas sein kann, heißt das nicht, dass es immer so sein muss.
Bis auf die Behauptung, dass dieses Steuermodell die Löhne drücken würde, halte ich deine Überlegung für valide.
Löhne drücken würde ich nicht sagen, aber dass das zusätzliche Geld 100% bei den Arbeitnehmern landet halte ich für zumindest naiv. Lohn ist das Ergebnis aus Angebot und Nachfrage und wenn sich durchsetzt, dass Arbeitnehmer 42h statt 40h arbeiten, sprich dies normalisiert wird, sinkt der Druck höhere Löhne zu zahlen deutlich. Sowohl weil weniger Arbeitnehmer gebraucht werden als auch weil Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer die höheren Nettolöhne einpreisen werden in die Verhandlungen.
Da gebe ich dir völlig Recht. Aber derzeit haben Unternehmen mehr Arbeit als Angestellte, die diese Arbeit bewältigen können.
Das Problem: Der Fachkräftemangel betrifft eben nicht alle Branchen, deine Regelung dann aber schon.
Das Unternehmen hat auch heute schon keine Mehrkosten, die Arbeitnehmer Mehrarbeit verrichten zu lassen.
Aber keinen Druck auf Arbeitnehmer dies durchzusetzen. Je mehr Arbeitnehmer durch Anreize bereit sind sich zu überarbeiten desto normalisierter wird es und desto stärker steigt der Druck auf den Rest der es eigentlich nicht möchte.
Wohlgemerkt: jeder Arbeitgeber kann jetzt bereits die selben Zulagen für Überstunden zahlen die du vom Staat möchtest. Wenn jede Überstunde 150% bringt, überleget sich das auch der ein oder andere Arbeitnehmer. Aber auch die Arbeitgeber machen es eben nur wenn sie wirklich sonst in die Krise rutschen. Mein Problem ist hauptsächlich, dass hier nach dem Staat gerufen wird von den selben die sonst immer keine Einmischung wollen. Soll's doch der Markt regeln.
Mein Team is übrigens in genau der Lage von Team B. Markt massiv gewachsen, wir nicht. Ergebnis im Moment: wir binden mehr Arbeitskräfte aus Polen und Indien ein, wir automatisieren mehr, wir erhöhen unsere Gewinnspanne. Reicht nicht um der Nachfrage Herr zu werden. Massiv neu einstellen? Fehlanzeige, qualifizierte Bewerber werden abgelehnt weil keine Stelle offen ist. Wir sagen lukrative Projekte ab anstatt neue Stellen zu schaffen. Was würde höheres Management sagen? Wir sind Team C.
weil Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer die höheren Nettolöhne einpreisen werden in die Verhandlungen.
Steile These. Ob Verheiratete wirklich weniger verdienen als Geschiedene?
Das Problem: Der Fachkräftemangel betrifft eben nicht alle Branchen, deine Regelung dann aber schon.
Fair, müsste man unter der Annahme das deine These richtig ist, berücksichtigen. Also nur für bestimmte Bereiche wie z.B. IT und Pflege erlauben und regelmäßig überprüfen, ob noch ein Mangel vorliegt.
Mein Problem ist hauptsächlich, dass hier nach dem Staat gerufen wird von den selben die sonst immer keine Einmischung wollen. Soll’s doch der Markt regeln.
Da bin ich bei dir, denn einfach nur Mehrarbeit abzuverlangen, ohne was dafür zu bieten, brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Warum sollte man Unternehmen auf Kosten der Menschen besserstellen? Das ergibt gerade in unserer derzeitigen Situation überhaupt keinen Sinn.
Massiv neu einstellen? Fehlanzeige, qualifizierte Bewerber werden abgelehnt weil keine Stelle offen ist. Wir sagen lukrative Projekte ab anstatt neue Stellen zu schaffen. Was würde höheres Management sagen? Wir sind Team C.
Ich sags ja immer wieder: Solche Manager sind entweder inkompetent oder lügen dreist.